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Wie finde ich meine Berufung Katrin Wilkens?

Katrin Wilkens, Jahrgang 1971, ist Job-Profilerin, Journalistin und Autorin. In ihrer Job-Profiling-Agentur i.do berät sie seit 2011 Frauen nach der Babypause, einen passenden Job zu finden.
Ihre Erfahrung hat sie in dem Buch “Mutter schafft. Es ist nicht das Kind, das nervt, es ist der Job, der fehlt” zusammengetragen.

Wer für einen Job brennt – verbrennt.
Manchmal reicht glimmen!

Job-Mythos 1

Potential (=lat.: Stärke, Macht) beschreibt die Fähigkeit zur Entwicklung und irgendwie wollen wir alle ein entwicklungsreiches Leben, einen entwicklungsreichen Job. Einen, der Erfüllung bringt oder Sinn macht. Einen, der Freiheiten bietet und die Möglichkeiten im Flow, im völligen Fluss zu sein. Am besten einen Job, der alle Bruchstücke einer Person in sich vereint.

Das sind kulturelle Anforderungen, die sehr jung sind. In Samuel Johnsons berühmten Englischem Wörterbuch findet man noch nicht mal die Vokabel „Erfüllung“. 1755 gab es noch keine grammatikalisch und offiziell sprachlich verankerte „Erfüllung“. Erst recht nicht eine berufliche Erfüllung. Man war Müller, Bäcker, Schreiner, Arzt. Weil schon der Vater Müller, Bäcker, Schreiner, Arzt war.

Heute können wir uns unseren Beruf entsprechend unseren Neigungen, unserem Potential aussuchen – und sind kreuzunglücklich.
Eine europaweite Studie ergab, dass 60 % aller Arbeitsnehmer einen anderen Beruf wählen würden, wenn sie noch einmal von vorn beginnen könnten. Wir haben auf unserer i-do Homepage das Manager Magazin zitiert, dass von 75 % aller Deutschen spricht, noch dramatischer, die sich im falschen Job glauben.

Dazu kommt: die durchschnittliche Beschäftigungsdauer ist auf vier Jahre gesunken. Nichts mit Kontinuität, Zufriedenheit, gar Sinn.

Arbeit scheint heute mehr denn je wieder näher an der Ursprungsbedeutung arvum = „Sklave“ oder „Schinderei“ zu liegen.

Und woran liegt das? Dass wir alle noch nicht den einen, den glücklichmachenden Job haben? (Außer mir natürlich… 

An ein paar kreuzdämlichen modernen Arbeits-Mythen, die mit Potential, Job und Zukunftssorgen zu tun haben, will ich unsere Arbeit erklären:

Wir müssen den einen Job, für den wir brennen, finden. Und wenn wir nicht brennen, dann ist er nicht perfekt.
Wir sind multipel, deshalb können wir immer mehrere Sachen gut, deswegen können wir auch in mehreren Berufen außergewöhnlich werden.
Aber: Wir sind in unterschiedlichen Lebensabschnitten unterschiedlich in unserer Brenndauer belastbar. In der Kinder-Phase ist das nur auf kleiner Flamme möglich. Wer ein, zwei, drei Kinder hat, ersetze bitte die Fackel in ein Ikea-Tee-Licht. Die haben meist dafür aber extra-lange Brenndauer.
Und damit es nicht so dröge wird, erzählen wir mal aus unsere Beratung. Von einer unserer letzten Kundinnen. Dann verstehst du, was ich mit „Ich will für etwas brennen“ meine:

Zu uns kam eine lustige, junge Soziologin, mit Schwerpunkt BWL, 33 Jahre, Großstadt, 2 Kinder, 2 Hamster, 1 Hund. Die kam in einer selbstgehäkelten bunten Tunika und einer sehr edlen Seidenhose und jammerte, durchaus so, wie wir es öfter hören:

Ich würde gern etwas haben, für das ich brenne. Soziologie war so öde.
Mein Mann weiß genau, wofür er arbeitet. Er ist seit 10 Jahren in der Internen Revision eines großen Konzerns.
Ich brauche einen Job, der ausbaubar ist, denn eigentlich kann ich unter der Woche auf seine Hilfe kaum bauen. (Immerhin hatte er sich für den Tag, an dem die Kundin bei uns war, freigenommen. Immerhin!)
Und: ich bin so verschieden. Wenn ich nur wüsste, wofür, würde ich gern nur eine Sache machen, also neben den Kindern, dem Hund und den Hamstern.
Ihr Lebenslauf war genau bunt wie ihre Tunika:

  • sie hat in einer Werbeagentur gearbeitet,
  • davor hat sie einen sogenannten Pop-up-Store gegründet
  • in einer veganen Einzelhandelskette den Einkauf geleitet
  • und war Freelancerin in einer Serviceagentur für Schauspieler
  • Hobbies: sehr politisch, sie liebte die komplette Müllvermeidung, zero-Waste, sie liebte Crowd-Funding, weil sie das die richtige Form von Demokratie fand, junge Poetry-Slam-Autorinnen, sie liebte Pinterest, aber sie ging auch in die Kirchengemeinde, las Kafka und liebte die vegane Küche.

Diese Frau brauchte keinen Job, für den sie brennt. Weil sie längst einen solchen hatte. Sie musste ihrem Kind nur einen Namen geben: Trendscouting, eventuell eine kleine Weiterbildung absolvieren und dann endlich zu dem stehen, was sie seit 15 Jahren war: ein professionelles Trüffelschwein für Trends und Strukturen.

 

Job Mythos 2

Wir können heute alles erreichen. Wir müssen nur wählen. Bullshit! Wir können heute eben nicht alles erreichen.


Ich habe einen Sprachfehler, nie werde ich im Fernsehen eine erfolgreiche Journalistin, Mein Kollege wird, trotz seines umwerfenden Aussehens, kein Model.

Es geht darum, die vielen Möglichkeiten, die nie zu uns passen werden, gleich auszusortieren, manchmal müssen diese Realitätserkenntnisse andere liefern.

 

Job Mythos 3

Mach einfach das, was Dir Spaß macht und dann wirst du auch erfolgreich.

Millionen Etsy-Frauen wissen, dass das nicht stimmt. Und Aristoteles wusste es auch schon, obwohl er Etsy noch nicht kannte: „Wo Deine Talente und die Bedürfnisse der Welt sich kreuzen, dort liegt deine Berufung.“
Selbst gefilzte Spieluhren sind schön, versprechen aber nur ganz ganz selten, dass man damit eine Familie nähren kann. Also geht es bei dem Suchen nach dem richtigen Job auch um die Frage: wie viel Realität, wie viel Traumtänzerei kann/muss / darf ich mir leisten?

Job Mythos 4

Einen neuen Job findet man nicht so schnell!


Es ist ein Erbe aus dem 17. Jahrhundert, als damals propagiert wurde: schwere Mühsal tue dem Menschen gut und bringe ihn Gott näher. Heute glauben wir, bzw. das schlechte Gewissen in uns: eine Sache, die uns leicht von der Hand geht, ist nicht viel wert.

Das ist Quatsch und für viele Frauen ist er leider erst recht Quatsch. Wir haben auf unserem Fragebogen zur Beratung eine Frage „Was können Sie richtig, richtig gut?“ Anhand dieser Frage kann ich nach 500 Kunden blind herauslesen, ob ein Mann oder eine Frau antwortet:

Frauen sagen: Ach, eigentlich nichts so richtig, ich bin eher breit als tief, wenn ich nur wüsste, was ich eigentlich kann…Das hat viel auch mit unserer Gender-Erziehung zu tun, dass wir (Gesellschaft) diejenige Frau, die von Herzen mit ihren Fähigkeiten angibt, laut, vor anderen, – scheiße finden. Oder zumindest kreuz-unsympathisch.

Männer, ohne Witz, liefern zu dieser einfachen Frage gern mal 5 Seiten Extra-Antwort. 5! Seiten! Und setzen dann gern unten Zusätze wie diesen dran: „Sie werden spätestens am Tag der Beratung merken, dass ich etwas ganz besonderes bin…“

 

Mythos Nr. 5

Ich habe meine Berufung immer noch nicht gefunden, ich beneide Menschen, die ihre endgültige Bestimmung schon gefunden haben.

Eine Berufung „findet“ man ebenso wenig, wie man sich einen Schnupfen „holt“.

Eine Berufung entsteht und reift. 
Keiner wacht morgens auf und sagt: So, ab heute werde ich erfolgreich.

Zuerst ist da nur die Idee. Die man seinem engsten Partner weitererzählt und wenn der nicht lacht, auch noch seinen Freunden. Man liest im Internet, telefoniert. Spricht vielleicht mit jemanden, der etwas ähnliches macht. Vielleicht besorgt man sich Fachliteratur, die man vielleicht nicht in Gänze versteht – aber die einen interessiert. Und so ganz allmählich kommt man vom Dilettanten zum Amateur-Status. Und wenn man sich dann ganz auf die Idee einlässt, etwas gründet, sich weiterbildet, noch einmal studiert, sich zu einem Genossenschaftsmodell zusammenschließt, dann wird man irgendwann Profi. Aber nie wird man den Augenblick datieren können. Sondern eines Tages weiß man nur: jetzt bin ich´s.

Also: irgendwann musst du das Grübeln „Wofür brenne ich?“ einstellen – und handeln.

In der rabbinischen Tradition gibt es ein Sprichwort: wenn nicht jetzt, wann sonst?

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